Die Bundesregierung verknüpft ihr weiteres Engagement in Afghanistan mit deutlichen Fortschritten der Regierung von Präsident Hamid Karsai. Unter anderem müsse die weit verbreitete Korruption und die umstrittene Regierungsführung Karsais sich in angemessener Zeit ändern, forderte Bundesverteidigungsminister Karl-Theodor zu Guttenberg am Donnerstag (12.11.2009) nach einem Treffen mit dem Präsidenten. "Wir haben die Erwartung, dass geliefert wird", erklärte der Minister. Karsai war vergangene Woche nach einer von Betrug überschatteten Wahl im Amt bestätigt worden und soll am Donnerstag kommender Woche vereidigt werden. Der Minister reiste inzwischen weiter zu den deutschen Truppen im nordafghanischen Masar-i-Scharif.
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Bildunterschrift: Großansicht des Bildes mit der Bildunterschrift: US-General Stanley McChrystal
Zum Auftakt seines aus Sicherheitsgründen zuvor nicht angekündigten Besuchs war zu Guttenberg in Kabul mit dem deutschen Botschafter Werner Hans Lauk, Beamten der EU-Polizeimission (EUPOL) und Mitarbeitern deutscher Stiftungen und Entwicklungshilfeorganisationen zusammengetroffen. Im Hauptquartier der ISAF-Truppe sprach der Minister mit dem Kommandeur der Internationalen Schutztruppe ISAF, US-General Stanley McChrystal. Der General, der zugleich die US-Truppen in Afghanistan kommandiert, hatte die Entsendung von zusätzlich 40.000 US-Soldaten an den Hindukusch vorgeschlagen. Er hatte andernfalls vor einem Scheitern der Mission gewarnt. In einer Erklärung des Weißen Hauses vom Mittwoch hieß es, der afghanischen Regierung müsse klargemacht werden, dass der US-Einsatz nicht unbefristet sei.
Ein weiterer Gesprächspartner des Gastes aus Deutschland war der der afghanische Verteidigungsminister Abdurahim Wardak. Nach dem Treffen sagte zu Guttenberg, über Veränderungen des Afghanistan-Mandats der Bundeswehr solle erst nach der internationalen Afghanistan-Konferenz gesprochen werden.
"Kriegsähnliche Zustände"
Gegenüber deutschen Soldaten im ISAF-Hauptquartier bekräftigte Guttenberg seine Einschätzung, dass es in Afghanistan "kriegsähnliche Zustände" gebe. "Sie haben bemerkt, dass es eine andere Wortwahl gibt", sagte der Verteidigungsminister zu den Soldaten. Guttenbergs Vorgänger Franz Josef Jung hatte es stets vermieden, die Lage in Afghanistan mit dem Wort Krieg zu bezeichnen.
In einem vor seinem Abflug veröffentlichten Interview mit dem Magazin "Stern" hatte Guttenberg angekündigt, er wolle eine offene Diskussion über einen möglichen Abzug der deutschen Soldaten aus Afghanistan, sollten sich die Verhältnisse dort nicht verbessern. Er habe nicht vor, so der CSU-Politiker, "das Thema Afghanistan gegenüber der Bevölkerung und den deutschen Soldaten verdruckst und verschwurbelt darzustellen". "Das Wort 'Exit-Strategie' nehmen wir nicht mehr nur verschüchtert in den Mund, wie noch vor ein, zwei Jahren." Einen Termin für einen möglichen Rückzug vom Hindukusch wollte Guttenberg nicht nennen.
Bundestag muss entscheiden
Im Dezember entscheidet der Bundestag über die Verlängerung des Mandates für die Beteiligung der Bundeswehr an der ISAF-Truppe. Gegenwärtig hat die Bundeswehr die in dem Mandat vorgesehene Obergrenze von 4500 Soldaten voll ausgeschöpft. In den vergangenen Wochen hatte es immer wieder Spekulationen gegeben, die Bundesregierung könnte auf Druck der USA mehr Soldaten entsenden.
Warten auf Afghanistan-Konferenz
Im deutschen Fernsehen wollte Guttenberg eine Erhöhung des Bundeswehr-Kontingents am Mittwoch nicht grundsätzlich ausschließen. Zunächst gelte es jedoch, die für Anfang 2010 geplante internationale Afghanistan-Konferenz abzuwarten. Diese müsse "sehr klare Ziele" und auch klare Zeitvorgaben setzen, forderte der Verteidigungsminister und sagte weiter:
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"Wenn wir die Zielsetzungen neu justieren müssen nach einer solchen Afghanistan-Konferenz, dann werden wir über unsere eigene Ausstattung und unsere eigenen Möglichkeiten auch neu nachzudenken haben." Wichtig sei jetzt, was die Amerikaner machten.
Obama wägt noch ab
US-Präsident Barack Obama hat unterdessen auch bei neuen Beratungen mit Militärexperten noch nicht entschieden, ob und wenn ja, wie viele Soldaten zusätzlich in Afghanistan eingesetzt werden sollen. Obama wolle die verschiedenen Möglichkeiten noch abwägen, teilte das Weiße Haus in Washington am Mittwoch (Ortszeit) im Anschluss an das mehrstündige Treffen mit. Wie die Agentur Reuters berichtet, wächst unter den führenden zivilen und militärischen Beratern die Zustimmung zur Entsendung von mindestens 30.000 weiteren Soldaten.
General McChrystal hatte 40.000 zusätzliche Soldaten angefordert. Zurzeit befinden sich 68.000 US-Soldaten in Afghanistan, so viel wie nie seit Beginn des Krieges im Herbst 2001. Es wird erwartet, dass Obama seine Entscheidung zur künftigen Afghanistan-Strategie bald nach seinem Besuch in Asien treffen wird. Der US-Präsident bricht an diesem Donnerstag zu einer neuntägigen Reise auf, die ihn nach Japan, China, zum APEC-Gipfel in Singapur und nach Südkorea führen wird.
Autoren: Herbert Peckmann / Michael Wehling (dpa, ap,rtr,afp)
Redaktion: Martin Schrader